Ein faz-Artikel von heute wirft der Letzten Generation vor, zwischen dem Brandenburger Tor und ökologischen Missständen bestünde „keinerlei Zusammenhang“. Anders als Rosa Parks, die den Gehorsam gegenüber einer ungerechten Norm verweigerte, sieht der Autor bei unseren Protestaktionen keinen sinnvollen Bezug. Hier also meine Meinung als Protestierende der Letzten Generation zu dem Zusammenhang.
Wir verweigern den Gehorsam, das würden wahrscheinlich alle unterschreiben. Was die Allermeisten nicht so sehen, ist jedoch, dass in Deutschland heutzutage ein Unrecht herrscht, eine „ungerechte Norm“. Vor diesem Hintergrund ergeben unsere Protestaktionen natürlich keinen Sinn.
Menschen, die so denken, wünschen sich, dass unsere Protestaktionen an Orten stattfinden würden mit klarem Bezug zum Unrecht Klimakatastrophe. Bei den Ölkonzernen zum Beispiel oder dort, wo sonst noch viele Emissionen verursacht werden. Sie finden das mit dem Brandenburger Tor bescheuert, weil dort ja eben grade keine Autos durchfahren und das mit dem Berlin Marathon erst recht, denn die Menschen dort seien ja zu Fuß unterwegs. Es sind auch die Menschen, die unsere Proteste auf den Autobahnen missverstehen als gegen die Autofahrenden gerichtet anstatt gegen die Bundesregierung.

Ich verstehe den Wunsch, einen klaren Schuldigen ausmachen zu wollen. Den Autofahrer, die Pipeline-Firma. Aber doch nicht wir alle, nicht ich selbst! Die Wahrheit ist, niemand von uns ist so richtig ohne Verantwortung. Pipeline-Betreiber und Autofahrende müssten eigentlich von der Bundesregierung per Gesetz davon abgehalten werden, die Schuld der Weltzerstörung auf sich zu laden. Und da das nicht passiert, ist es unsere Verantwortung als Bevölkerung gegen sie aufzustehen.
Was wir momentan tun oder nicht tun, gefährdet alle Menschen, die es gibt und noch geben wird. Unzählige sind schon tot durch Erderhitzung und Naturzerstörung, schrecklich viele weitere Tote sind bereits festgeschrieben. Gleichzeitig hören wir in den Nachrichten, dass die Bundesregierung das Klimaschutzgesetz aufweicht, mehr Straßen baut, mehr LNG-Terminals, mehr, mehr mehr und wir machen weiter wie bisher. Arbeiten in Jobs, an deren Sinn wir selbst nicht glauben, und besuchen am Wochenende das Brandenburger Tor oder den Berlin Marathon.
Unser aller Weiter-so ist die herrschende unrechte Norm. Das Wegschieben von jeglicher Verantwortung mit den Geschehnissen unserer Zeit irgendetwas zu tun zu haben, geschweige denn etwas dagegen machen zu müssen. Unser Weiter-so ist die Rassentrennung im Bus unserer Zeit. Unser Unrecht ist kein einzelnes spezifisches Gesetz. Unser Unrecht ist die Abwesenheit von Gesetzen. Unser Unrecht ist die Missachtung der wenigen Klima-Gesetze, die es gibt. Unser Unrecht ist das So-tun-als-würden-wir-all-das-nicht-mitbekommen. Während im Raum steht, dass die Menschheit aussterben könnte.
Das Unrecht unserer Zeit ist allgegenwärtig und allumfassend. Deshalb können wir unseren Protest auch fast überall hintragen. Doch egal ob wir aufs Bundesligafeld sind oder ins Kunstmuseum, es gab immer wen, der den Zusammenhang nicht verstand. Der fand, das wäre jetzt doch wirklich nicht mehr vermittelbar. Ich verstehe es gut, das Unrecht unserer Zeit nicht sehen zu wollen. Die Verantwortung und Schuld sind überwältigend. Doch die Realität bleibt die Realität und das Weiter-so wie bisher ein unvorstellbares Unrecht – egal wohin wir uns in unseren Köpfen flüchten oder was wir in faz-Artikel schreiben.
Burner,
verklagt die doch gleich auf Schadensersatz…😁
Danke! Dein Text ist eindringlich überzeugend und gut verständlich. Wie kann er an die Öffentlichkeit gelangen? Das wär wichtig !